Eine Reflexion durch Aufstellungsarbeit

In der Aufstellungsarbeit begegnen wir immer wieder einer tiefen und oft herausfordernden Frage: „Was ist das Gute im Schlimmen?“ Auf den ersten Blick mag diese Frage provozieren. Wie kann es etwas Gutes in den schwierigen, schmerzhaften oder gar traumatischen Erfahrungen unseres Lebens geben? Doch wer tiefer in die Methode der Aufstellungsarbeit eintaucht, merkt schnell, dass genau diese Frage den Kern eines heilenden Prozesses berührt.

Die Perspektive der Aufstellungsarbeit

Die Aufstellungsarbeit – sei es Familienaufstellung, Organisationsaufstellung oder auch thematische Aufstellungen – dient dazu, verborgene Dynamiken und Verstrickungen sichtbar zu machen. In der systemischen Arbeit wird angenommen, dass jedes Problem, jede Schwierigkeit, eine Botschaft für uns bereithält, die, wenn sie erkannt wird, den Weg zu Heilung und Entwicklung öffnen kann. Hierbei geht es nicht darum, das „Schlimme“ zu verleugnen oder zu bagatellisieren, sondern es als einen Teil unserer Realität anzunehmen und zu verstehen, welche Ressourcen oder positiven Erkenntnisse in diesem Erlebnis verborgen liegen.

Das Schlimme und der verborgene Sinn

Das Leben stellt uns alle vor Herausforderungen: Verluste, Konflikte, Traumata und schmerzvolle Erfahrungen gehören zum menschlichen Dasein. In der Aufstellungsarbeit fragen wir: Was liegt hinter diesem Schmerz? Was möchte er uns lehren? Oft zeigt sich, dass sich hinter dem, was wir als negativ und belastend erleben, eine tiefe Weisheit verbirgt. Eine Weisheit, die uns auf Wachstumsmöglichkeiten hinweist oder uns ermutigt, neue Wege zu beschreiten.

Ein klassisches Beispiel aus der Aufstellungsarbeit ist die Arbeit mit Familienthemen. Viele Menschen tragen ungelöste Themen ihrer Herkunftsfamilie mit sich herum – sei es in Form von emotionalen Lasten, Verstrickungen oder wiederkehrenden Mustern. Das erste Gefühl ist häufig Ablehnung oder Schmerz gegenüber diesen Themen. Doch wenn wir den Mut aufbringen, genauer hinzuschauen, entdecken wir oft, dass hinter dem Schmerz eine tiefe Sehnsucht nach Versöhnung oder Vergebung steckt. In der Konfrontation mit diesen Emotionen liegt die Chance, alte Wunden zu heilen und uns von den Fesseln der Vergangenheit zu befreien.

Der Weg zur Annahme

Die Frage „Was ist das Gute im Schlimmen?“ lädt uns ein, einen Perspektivwechsel vorzunehmen. Es geht darum, nicht länger nur das Leid zu sehen, sondern die Potenziale und Lektionen zu erkennen, die in den schwierigen Erfahrungen verborgen liegen. Dies ist kein einfacher oder schneller Prozess, sondern erfordert Geduld, Selbstreflexion und manchmal auch professionelle Unterstützung.

Ein wichtiger Aspekt dieses Prozesses ist die Annahme – die Akzeptanz der Tatsache, dass das Leben nicht immer glatt verläuft, und die Bereitschaft, den Schmerz nicht zu verdrängen, sondern ihn zu integrieren. In der Aufstellungsarbeit können wir lernen, uns selbst, unsere Familie oder das System, in dem wir leben, in einem neuen Licht zu sehen. Wir erkennen, dass es in jedem Dunkel auch Licht gibt, in jeder Krise eine Chance, in jedem Verlust einen Gewinn – wenn auch nur die Stärke, die aus dem Überwinden von Schwierigkeiten erwächst.

Eine tiefere Sichtweise

Die Frage „Was ist das Gute im Schlimmen?“ ermutigt uns, das Leben mit all seinen Höhen und Tiefen anzunehmen. Die Aufstellungsarbeit bietet uns einen Raum, in dem wir diese Frage erforschen und erleben können, was geschieht, wenn wir das vermeintlich Negative in unser Leben integrieren. Es geht nicht darum, den Schmerz zu glorifizieren, sondern darum, ihn als Teil unseres Wachstumsprozesses zu sehen.

In dieser Haltung liegt eine große Kraft. Wenn wir lernen, in den herausfordernden Momenten unseres Lebens auch das Gute zu erkennen, können wir uns aus Verstrickungen lösen und einen Weg zu innerem Frieden und Heilung finden. Die Aufstellungsarbeit zeigt uns, dass das Leben immer eine tiefe Ordnung und Sinnhaftigkeit hat, auch wenn diese auf den ersten Blick nicht immer erkennbar ist.

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